not truth - no justice - no peace



Das Statement der IL vom 18. August (https://de.indymedia.org/node/299097) zu ihrem Outing ist widersprüchlich, politisch enttäuschend und liest sich wie eine gefällig formulierte aber inhaltlich schwache Regierungserklärung - tatsächlich ist es ein Dokument vollständiger Unglaubwürdigkeit, ein Zeugnis des politischen Abgesangs. Die IL räumt darin ein, dass sie keinerlei Hinweise auf ein Männernetzwerk rund um den vermeintlichen Täter C. hat und dass die Mail der Kontaktaufnahme der einzigen externen Zeugin erfunden sein muss. Zur damit zentralen Frage: WER hat denn nun Emails und Sachverhalte gefälscht und ein Männernetzwerk herbeigelogen? fehlt dem Schreiben der IL lediglich ein “Der Kanzler kann sich nicht erinnern.” Die IL deklariert diese Frage schlicht als “wahrscheinlich nicht mehr aufzuklären” und spricht damit allen ab, die dennoch Aufklärung fordern, diese Frage weiter sinnvoll zu stellen.

Zur Beschwichtigung soll nun eine neue abstruse (Not-)Lüge herhalten:

Vergesst das Männernetzwerk, vergesst die Fälschungen bei der Kontaktaufnahme der angeblichen Zeugin “Jennifer Hills” mit dem Ex-Partner der Betroffenen, lasst uns einfach gemeinsam daran glauben, dass es ein Videotelefonat zwischen Zeugin und Betroffener gab (wie auch immer die Verabredung dazu zustande gekommen sein soll) und lasst uns nun (per Definitionsmacht) der Betroffenen vertrauen, dass sie bei diesem Videocall Bilder vom Sexdate mit C. gezeigt bekommen hat. Zur Frage, woher die Bilder stammen könnten, schreibt die IL nun “Es bleibt für uns die plausibelste Erklärung, dass diese durch C. aufgenommen wurden.”

Mit dieser abstrusen Hilfskonstruktion soll C. partout weiter Täter sein und eine umfängliche Übernahme der politischen Verantwortung für dieses desaströse Outing vermieden werden. Mit dieser Hilfskonstruktion wird zudem verschwiegen, dass M. als Sprecher der IL und Ex-Partner der Betroffenen der (vorgebliche) ‘Empfänger’ dieser Mails ist. Jetzt, wo die IL nun endlich eingesteht, dass M. diese Mails nicht ’empfangen’ haben kann, stellt sich die Frage: warum besteht sie nicht auf Klärung des naheliegenden Verdachts, M. habe die Mails, die Kontaktaufnahme mit der externen Zeugin, die komplette Geschichte gefälscht?  

Die IL deckt also ihren Käpt’n Blaubär weiter und nimmt das Outing auch nicht vollumfänglich zurück. Sie schreibt lediglich: “Wir würden diese Form des Outings in diesem Fall nicht noch einmal wählen.” Das ist gelinde gesagt krasser Scheiß. Warum eigentlich nicht offen zugeben? Wir sind da einer komplett gefälschten Erzählung von Protagonist*innen unserer IL-Ortsgruppe seered aus Düsseldorf aufgesessen und haben diese Lüge dummer Weise ein Jahr lang gegen erdrückende Inkonsistenzen verteidigt. Das war falsch. Wir ringen weiter um Aufklärung der Hintergründe …

Es klingt zwar selbstkritisch, wenn die IL schreibt: “Wir haben Fehler gemacht und wollen dazu stehen. Wir halten Kritik aus, durchdenken sie, nehmen sie an, wenn wir sie für richtig halten.” Nur leider ist das erneut eine aufgehübschte Unwahrheit. Richtiger wäre zu schreiben: “Wir halten Kritik aus, lassen uns jedoch nicht aus dem Konzept bringen und  geben nur soviel zu, wie es für den Selbsterhalt als politische Organisation unbedingt notwendig ist.”

Der Aufklärungswille in dieser dubiosen Geschichte, die erst mit einer schlecht konstruierten Lüge glaubwürdig gemacht werden sollte, dann (nach Enttarnung) nun aber auch ohne Lügenverpackung noch weiter glaubwürdig sein soll, fehlt der IL bereits seit einem Jahr. Denn schon vor gut einem Jahr (noch VOR dem outing!) gab es a) begründete Zweifel und b) die Aufforderung, die externen Hinweise der vermeintlichen Zeugin auf ein Männernetzwerk genau zu prüfen. Für diese Überprüfung gab es sogar ein Kooperationsangebot. Der zentrale politische Vorwurf, den wir und mittlerweile mehrere feministische Zusammenhänge der IL machen, ist ihr autoritärer Alleingang. Es ist nachweislich falsch, so zu tun, als hätte die IL vor einem Jahr nach bestem Wissen gehandelt: “Auf Basis der heutigen Informationslage hätten wir andere Wege der Konfrontation mit dem Täter gesucht und einen anderen Umgang mit seinem Umfeld gewählt.” Auf die Unzulänglichkeit des inhaltlich grob geschnitzten und auf diesen Fall ganz und gar nicht anwendbaren Leitfadens der IL zum Umgang mit sexualisierter Gewalt wurde die IL von extern aber auch intern zuvor(!) hingewiesen.

Die Enttarnung der Lügengeschichte war von Anfang an alleinige Sache von externen Recherchegruppen. Die skandalöse Untätigkeit der IL-internen Untersuchungskommission ist über den geleakten Kommissionsbericht https://tumulte.org/2023/06/articles/il-leak-zum-k%C3%B6lner-outing/ öffentlich geworden. Die notwendige Aufklärungsarbeit zuerst als “Täterschutz” und nun als aus dem “erweiterten Täterumfeld” stammend und als “höchst zweifelhaft motiviert” zu delegitimieren, ist mehr als schlechter Stil. Es ist politisch untragbar und zeugt von keinerlei Verantwortung gegenüber einer Gesamtlinken.

Gleichermaßen verantwortungslos ist es, die (leider reale!) Repressionsgefährdung der linken Szene (zumindest in Köln und Düsseldorf) durch ermittelnde Bullen C. und eben diesem “erweiterten Täterumfeld” zuzuschreiben. Hätte sich die IL verweigert, die machtmissbräuchliche Lügengeschichte ihres Sprechers M. zu decken, wäre kein Bulle auf die Suche nach Anhaltspunkten für das herbeigelogene Männernetzwerk gegangen.  

Stattdessen verrennt sich die IL in immer abstrusere Lügen und diskreditiert leider nicht nur ihre eigene, sondern die Glaubwürdigkeit der gesamten Restlinken. Sich nicht einmal bei C. zu entschuldigen, wenn sich die Vorwürfe als haltlos herausstellen, das ist ‘feministische’ Verantwortungsübernahme à la IL (Ignorante Linke).
 

fake as fake can? - strategisches Verhältnis zur Wahrheit

Es wäre jedoch falsch, die Verantwortung für diese Glaubwürdigkeitskrise allein bei den mutmaßlichen Fälscher*innen aus Düsseldorf und den Funktionär*innen der IL auf Bundesebene zu suchen. Was bedeutet es, dass uns so viele IL-Vorturner*innen und -Nachbeter*innen aus verschiedenen Ortsgruppen ‘versichert’ haben, dass sie die “eindeutigen Beweise” (selbst) gesehen haben wollen, nun aber beiläufig eingeräumt wird, dass es diese gar nicht gibt. Erschüttert das unser Vertrauen? Kratzt das an der Glaubwürdigkeit dieser Personen? Oder sind wir bereits so gewöhnt an das (macht-)strategische Ringen um Deutungshoheiten, in denen die rhetorische Entschiedenheit des medienpolitischen Auftritts mehr zählt als dessen Wahrheitsnähe, dass uns die aktive Lüge nicht mehr stört. ‘Aktiv’ gelogen wurde von vielen Iler*nnen in dem Sinne, dass sie nicht bloß einer Missinformation aufgesessen waren, sondern mit der (falschen) Zusicherung tatsächlich Desinformation gegenüber Genoss*innen betrieben haben. Diese wesentliche Unterscheidung zwischen Miss- und Des-information geht in der ungenauen Bezeichnung des ‘fake’ aktueller Debatten verloren.

Wirklichkeit wird nicht mehr gesucht, sondern inszeniert. Diejenige Lüge mit der aktuell größten Aussicht auf Akzeptanz soll die ‘Wahrheit’ sein? Kein gutes Zeichen für eine radikale Linke und ihre gesellschaftliche Glaubwürdigkeit, wenn sie sich Strategien der populistischen Rechten zu eigen macht. Worauf dürfen wir in politisch entscheidenden Momenten zählen, wenn das Geschäft der Desinformation so leichtfertig auch gegenüber Mitstreiter*innen betrieben wird. Wer noch nicht resigniert angesichts der Belanglosigkeit mancher linker Kämpfe sondern zum Teil mit hohem Wagnis weiterkämpft, muss sich auf seine Mitstreiter*innen in politischen Zusammenhängen verlassen können. Ein rein strategisches Verhältnis zur Wahrheit wie es hier bei der IL zum Vorschein kommt, ist für uns nicht tragbar. Eine radikale Linke muss auf Vertrauen aufbauen. Wir müssen auf der Basis dieses IL-Statements weiterhin vor einer Zusammenarbeit mit der IL warnen - nicht aus Antipathie sondern zum Selbstschutz. Wir haben kein Vertrauen (mehr) in die IL als politische Organisation.

Die Düsseldorfer Gruppe des Geschichtenerzählers M. ist selbst Zeugnis dieser Glaubwürdigkeitskrise. Just am Tag der Veröffentlichung des IL-Statements verkündet die Mehrheit der zuvor ausgetretenen Mitstreiter*innen die Neugründung einer Gruppe namens R.o.s.a. - und zwar ohne M.

Eine der drei Recherchegruppen

Weitere Lektüre:

https://k3-2022.tumblr.com/post/727430346043506688/scheitern
https://kontrapolis.info/11038/
https://tumulte.org/2023/06/articles/il-outing-skandal-vorletzter-akt/