26. Oktober 2023
Brandanschläge in Bremen: Gegen den grünen Kapitalismus
Lokales
➣ Klimakämpfe
#switchoff
BREMEN taz | An gleich drei Orten in Bremen haben Linksradikale im Sommer offenbar Ladesäulen für E-Autos in Brand gesetzt. Das wurde jetzt bekannt. Zuerst hatte der Weser Kurier über die drei Anschläge berichtet, bei denen insgesamt fünf Ladesäulen beschädigt wurden. In einem Bekenner*innenschreiben, das schon im Juli auf der Plattform Tumulte.org veröffentlicht wurde, wenden sich die Aktivist*innen unter anderem gegen die „Fortsetzung der extraktivistischen Zerstörung der Erde“.
Unter Extraktivismus versteht man ein Wirtschaftsmodell, bei dem natürliche Ressourcen wie Bodenschätze, Pflanzen oder Tiere aus der Natur entnommen, genutzt und vermarktet werden.
Die Bremer Linksradikalen beziehen sich auf eine Kampagne, die seit Januar dazu auffordert, die „Infrastruktur des Kapitalismus“ anzugreifen und die „Illusion, der Klimawandel wäre technologisch zu stoppen“, kritisiert.
Laut dem Bekenner*innenschreiben haben die Aktivist*innen zunächst Mitte Juni im Bremer Stadtteil Huckelriede eine Schnellladestation auf einem Supermarktparkplatz mit Hilfe von Brandbeschleuniger in Brand gesetzt. Einen Monat später machten sie sich dann in der Bremer Neustadt ans Werk, wo sie ebenfalls eine Ladestation anzündeten.
Polizei ordnet Taten linksextremistischer Szene zu
Ein dritter Anschlag, der ebenfalls der Serie zugeordnet wird, ereignete sich Ende August in Bremen-Findorff. Hierfür liegt kein Bekenner*innenschreiben vor. Der Anschlag wird jedoch auch auf der Plattform Tumulte.org erwähnt. Bei dem Findorffer Anschlag wurden drei Ladesäulen beschädigt.
Die Bremer Polizei bestätigte der taz am Dienstag die Vorfälle. Ein Polizeisprecher spricht von einem „durchaus neuen Themenfeld“. Er teilte zudem mit, die Polizei ordne die Taten der „linksextremistischen Szene“ zu. Die Ermittlungen durch den Staatsschutz der Bremer Polizei dauern nach eigenen Angaben an.
In dem Bekenner*innenschreiben unter dem Titel „Von den Kosten der Energiewende“ weisen die Aktivist*innen darauf hin, wie für die „sogenannte Energiewende“ neue Rohstoffquellen und Minen für Lithium, Nickel und Gold erschlossen und neue Fabriken gebaut werden müssen, um unter anderem Batterien für E-Autos herzustellen. Sie kritisieren „Giga-Fabriken, die das Grundwasser ausbeuten“ und „neokoloniale Importstrategien“ für Wasserstoff aus Namibia und Chile.
„Der Wandel, hin zu einem grünen Kapitalismus, geht zwangsläufig mit einer Verschärfung der Ausbeutung von Mensch und Natur einher“, heißt es in dem Schreiben weiter. Unterzeichnet ist der Text mit der Parole „Switch Off! The system of destruction!“ – auf Deutsch bedeutet das: „Das System der Zerstörung abschalten“.
Diese Parole entstammt einem Aufruf aus dem Januar 2023, in dem Unbekannte unter diesem Titel zur Revolte aufrufen. Die Initiator*innen der Kampagne kritisieren, dass die „von den Herrschenden angebotenen Lösungen für die Auswirkungen der ökologischen Krise“ vor allem technologische sind und rufen dazu auf „das System nachhaltig anzugreifen“.
Anschläge auf Kabelschächte der Bahn und 15 Teslas
Auf einer gleichnamigen Internetseite werden Anschläge wie die aus Bremen gesammelt, die seit Januar in Deutschland und weltweit mit Bezug auf diese Parole stattgefunden haben.
So verübten im September Unbekannte mehrere Anschläge auf Kabelschächte der Bahn und brachten damit den Zugverkehr zwischen Hamburg und Berlin größtenteils zum Erliegen. In einem Bekenner*innenschreiben hieß es, die Anschläge hätten sich gegen „neokoloniale Ausbeutung und erdzerstörenden Extraktivismus“ gerichtet. Die taz berichtete.
Ebenfalls im September setzten mutmaßlich Linksradikale 15 Teslas in Frankfurt in Brand und bezogen sich damit unter anderem auf die Internationale Automobilausstellung, die kurz zuvor in München stattgefunden hatte. Sie kritisierten, dass „die notwendigen Rohstoffe der Akkus von Elektroautos wie Lithium und Kobalt“ in Lateinamerika und Afrika „unter miesen Bedingungen abgebaut werden“.
Auch Aktionen aus Frankreich, den USA oder Chile sind auf der Internetseite aufgelistet.
Mit ihrer Kritik am Extraktivismus sind die Aktivist*innen nicht alleine. So erklärte der Aktivist und Journalist Peter Emorinken-Donatus im August gegenüber der taz, wie die Klimakatastrophe mit Kolonialismus und Rassismus zusammenhänge und der koloniale Extraktivismus gegenüber dem Globalen Süden vor Jahrhunderten begonnen habe und noch immer andauere.
Auch im Zuge eines Gipfels zwischen der EU und Lateinamerikanischen Staaten im Juli wurde „grüner“ Extraktivismus kritisiert, der unter anderem in Argentinien zu ausgetrockneten Flüssen und verseuchten Böden führt.