[Schanzenfest] Kundgebung für ein Klima der Revolte



In Mexiko findet ein ungesehener Krieg gegen Indigene statt. Die autonomen zapatistischen Gemeinden in Chiapas werden von paramilitärischen Verbänden beschossen und abgeriegelt, Felder und Gebäude zerstört, die Wasserversorgung abgeschnitten. Die Regierung lässt bewaffnete Gruppen gewähren und erlässt scheinbar soziale Reformen, die kollektiven Landbesitz abschaffen und hierdurch Landraub und Waffengewalt befördern. Die mexikanische Regierung leugnet den Krieg in Chiapas und versucht, diesen als Auseinandersetzung unter Indigenen darzustellen. Für uns ist dies Anlass, eine Delegation des indigenen Kongresses CNI zu einer Kundgebung einzuladen. Auf der Kundgebung am Samstag 9.9.2023 im Rahmen des Schanzenfestes in Hamburg von 16:00 bis 17:30 Uhr werden die Compas über die Situation vor Ort, ihre Kämpfe, Menschenrechtsverletzungen und den Krieg in Chiapas sprechen. Dies wird Teil des Programms auf der Hauptbühne sein. Die Beiträge werden auf deutsch übersetzt.

Sa. 9. September 2023 Kundgebung
16:00 – 17:30 Uhr Schanzenfest Hamburg

Die Zapatistas befinden sich seit 1994 im Aufstand und kämpfen, wie viele indigene Gemeinden in Mexiko, für ihre Autonomie und Selbstverwaltung. Sie sind und waren eine Inspiration für globalisierungskritische Bewegungen weltweit. Die Errungenschaften der Autonomie und die Widerstandsbasis sozialer Bewegungen sollen bekämpft werden, wenn Schulen beschossen, Felder niedergebrannt, Zapatistas entführt, ermordet oder schwer verletzt werden. Der Besuch der Delegation auf dem Schanzenfest ist Teil und Auftakt einer Europareise, bei der die Gewaltverhältnisse und der unsichtbare Krieg gegen Indigene in Mexiko ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden sollen. Wir wollen dies unterstützen und mit der Kundgebung ein starkes Bild der Solidarität in alle Welt senden.

Lxs Zapatistas no están solos!

Während die Folgen des menschengemachten Klimawandels überall deutlicher und spürbarer werden, befinden sich viele im Widerstand gegen Megaprojekte und nehmen Angriffe auf Aktivistinnen zu. Im Jahr 2020 gab es in Mexiko 30 tödliche Angriffe auf Umweltaktivistinnen, die Hälfte davon Indigene. Dies ist kein Zufall. Mexiko ist eines der Länder mit den umfangreichsten Bergbaukonzessionen an nationale und transnationale Unternehmen. Die meisten von ihnen sind direkt oder indirekt für die Morde an Umweltschützerinnen verantwortlich. Durch die Bezahlung von Söldnerinnen oder die Bereitstellung von Waffen an private Sicherheitskräfte, um Umweltaktivistinnen zu verjagen und so zu versuchen, den Widerstand in den betroffenen Gemeinden zu brechen.

Indigene stehen heute im gesamten globalen Süden an der Frontlinie sozialer Kämpfe in Zeiten des Klimawandels. Sie sind betroffen von Landraub, befördert durch koloniale Kontinuitäten, Korruption und ökonomische Interessen, von der Zerstörung der Umwelt und der ungebremsten kapitalistischen Ausbeutung sogenannter Bodenschätze. Natürliche Ressourcen, die eigentlich allen gehören, wie z.B. Wasser oder Regenwälder, werden dabei privatisiert und geplündert.

Indigene Gemeinden im Widerstand bringen viel Wissen und Erfahrungen mit, die viel zu wenig gehört werden. Nicht im globalen Norden, in Expertinnenrunden der etablierten Politik oder grünem Kapitalismus liegen die Lösungen zur Eindämmung des menschengemachten Klimawandels, sondern in Organisierungen von unten und der Selbstermächtigung von uns allen als Akteurinnen.

Wir sind es leid, die immer gleichen Erklärungen und Sachzwangdiskussionen der Politik zu hören, um wieviel Grad Klimaziele verpasst werden, weshalb der Kreuzfahrtdampfer angeblich voll ist oder weshalb ein besseres Leben angesichts der Lage momentan nicht finanzierbar wäre.

Viel lieber hören wir denen zu, die sich im Widerstand befinden, die für andere Realitäten kämpfen. Klimakämpfe sind soziale Kämpfe mit globaler Reichweite Während in Deutschland zunehmend „grüner Kapitalismus“ und „Technologieoffenheit“ als Lösungen aus der Klimakrise versprochen werden, haben häufig andere Regionen der Welt unter diesen Strategien zu leiden. Nach wie vor sollen vor allem im globalen Süden Rohstoffe und Ressourcen erschlossen und verwertet werden, um ungebremst Waren und Güter zu produzieren und zu verkaufen. Das System des Kapitalismus wird nicht in Frage gestellt, sondern mit Gewalt verteidigt und weiterentwickelt.

Deutsche und europäische Konzerne geben sich ein grünes Image – während linke Gewerkschafterinnen, Umweltaktivistinnen, kritische Journalistinnen ermordet werden, während wie im Fall von Tren Maya in Yucatan, Mexiko in Zusammenarbeit mit der deutschen Bahn eine Schneise der Verwüstung durch den Regenwald geschlagen wird, um die Region touristisch zu erschließen und natürliche Ressourcen abzubauen.

Die Durchsetzung von Megaprojekten und Schwächung der Widerstandsbasis von sozialen Bewegungen ist Teil des Krieges gegen Indigene in Mexiko. Die Ursachen und Wurzeln des Konfliktes liegen bis heute auch in Hamburg als Hafenstadt und Drehscheibe für Güter, Maschinen und Waffen.

Koloniale Kontinuitäten vom Sockel stürzen

Vor genau 140 Jahren ist die Handelskammer Hamburg an den damaligen Reichskanzler Bismarck herangetreten mit der Bitte, die Besitzungen deutscher Kaufleute unter den formalen Schutz des deutschen Reiches zu stellen. Ein Jahr später war das Kolonialreich geboren. Zur Ehrung und als Dank für den kolonialen Schutz und wurde das monströse Bismarckdenkmal auf St. Pauli errichtet.

Dass die Geschichte und Verbrechen des Kolonialismus als hanseatische Traditionspflege fortgeschrieben werden, offenbart sich in dem Umstand, dass das Denkmal zu Bismarcks 125. Todestag im Juli 2023 als erneute Ehrung für 10 Millionen Euro renoviert wurde. Der Vorgang beschreibt nicht nicht nur die Weigerung, deutsche Kolonialverbrechen anzuerkennen und kritisch aufzuarbeiten, sondern steht auch für die Aktualitäten beim Festhalten an den postkolonialen Ungerechtigkeiten des globalen Handels.

Während staatliche Grenzen im Zuge der neoliberalen Globalisierung für Märkte und Waren geöffnet werden, sind Menschen immer autoritäreren Grenzregimen unterworfen. Seit 2014 sind über 25.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken oder verschwunden. Trotzdem wird Seenotrettung kriminalisiert und restriktive Gesetze werden – wie z.B durch das GEAS/CEAS Abkommen – weiter verschärft.

Das Sterben von Flüchtenden im Mittelmeer ist Teil des Alltags zugunsten der Gewinnmaximierung in Europa geworden. Das Asylrecht soll nach dem Willen der Politik immer weiter abgeschafft werden, zugunsten von Kontingenten für den Arbeitsmarkt.

Verwertungsinteressen sollen bestimmen, was Humanität, Gerechtigkeit und die Vernunft an sich sein soll, sollen letzte Nischen in den Regenwäldern der Peripherie oder in den Metropolen erschließen, sollen unser Zusammenleben, unsere Wünsche und unser Handeln regulieren.

Stop CEAS – not people!

Es ist notwendig, in Europa den privilegierten Ökonomien und Mitwirkungspflichten eine Absage zu erteilen, den Normalbetrieb einer Welt zu sabotieren, die Menschen zu Konsument_innen und Produzent_innen macht und uns stattdessen zusammenzufinden, uns im Alltag selbst zu organisieren und von unterschiedlichen Erfahrungen zu lernen.

Denn eines ist sicher: So wie es ist, ist keine Möglichkeit. Wir sehen uns nicht als Teil der vermeintlichen Übereinkünfte und herrschenden Gewissheiten zur Verteidigung einer Geschichte und Gegenwart der globalen Ausbeutung, die viel zu lange von viel zu vielen mitgeschrieben wurde. Wir stehen dabei Seite an Seite mit Indigenen im Widerstand und allen, die gegen die gegenwärtigen Zustände kämpfen; die versuchen, Grenzen zu überwinden und versuchen, ihre Zukunft neu zu denken, statt sich an Gesetze und Regeln zu halten, die diese Zukunft zerstören und soziale Ungerechtigkeiten verschärfen und zementieren. Eine andere Welt ist möglich!

Für soziale Kämpfe gegen Megaprojekte und die Hydra des globalen Kapitalismus! Stoppt den Krieg gegen die Zapatistas – Alto a la guerra contra las comunidades Zapatistas!

Mehr Infos: https://schanzenfest.blackblogs.org