Liebesbrief an Männer, die keine Männer sind



Liebesbrief an Männer, die keine Männer sind

Im Feminismus und sogar in queeren Kämpfen gibt es Menschen, die ständig zur Ordnung gerufen und geächtet werden: Menschen, die als Männer wahrgenommen werden, nach einem stereotypen binären Raster, von dem wir uns immer noch nur schwer lösen können, amab Menschen (assigned male at birth/ bei der Geburt als Mann zugeordnet), und die dafür einen hohen Preis zahlen müssen.

Dennoch ist ein Feminismus, der immer noch an den Genitalien hängt, kein Feminismus. Dennoch ist eine queere Gemeinschaft, die ihre Mitglieder ablehnt, keine.

Queer ist jede Person, die aus der Cisheteronormativität heraustritt, mit einer politischen Positionierung, einer politisierten Existenz. Queer ist eine politische Identität. Und was ist politischer, als sich ständig der Gewalt auszusetzten, um ausserhalb der binären Cis-Hetero-Korsetts zu bleiben, aus ihr auszubrechen und gleichzeitig weiterhin als etwas wahrgenommen zu werden, was mensch nicht ist?

Ich liebe euch, weil eure Existenz politisch ist. Eure Identitäten, wie ihr Gender ausdrückt und auslebt sind meilenweit von dem entfernt, was von ihnen erwartet wird. Ich liebe euch, weil ihr vor Bergen steht: alle angeborenen Privilegien in einer patriarchalen und kapitalistischen Cis-Hetero-Welt zu widerlegen, zu kämpfen und zu streiten, um die Sozialisation, die ihr jahrelang erlitten habt und unter der ihr noch heute leidet, nicht zu reproduzieren. Ich liebe euch, weil ihr die Konstruktion der Welt in Frage stellt. Ich liebe euch, weil ihr immer noch da seid und euch nirgends legitimiert fühlt. Ich liebe euch, weil ihr euch euren eigenen Platz nehmt, da es scheint das niemand sonst euch neben sich haben will.

Unsere Verantwortung ist es, euch einzubeziehen. Wie können wir uns als queer, feministisch, revolutionär oder revoltierend bezeichnen, wenn uns der bloße Gedanke, euch in unsere Kreise aufzunehmen, unmöglich erscheint? Wie können wir das von unseren Feinden konstruierte Gender dekonstruieren, wenn wir Gender gleich wie unsere Feinde visualisieren und analysieren?

Ich liebe euch, weil ihr es seid, die mich für die queere Liebe geöffnet habt, das Unbekannte in dem, was ich für bekannt hielt. Ich liebe euch, weil ihr es seid, die mir die Augen und das Herz für das Queere geöffnet habt. Ich liebe euch, weil ich meine kleine persönliche Revolution mit euch gemacht habe. Ich liebe euch, weil ihr meine Tränen und meine Ängste in eure Arme nehmt. Ich liebe euch, weil die Revolution mit euch stattfinden wird.

Der Feminismus steckt nicht mehr in den Kinderschuhen. Die Definition einer Bewegung ist, dass sie sich bewegt. Der Feminismus hat sich immer wieder selbst in Frage gestellt, seine Ideen in die richtige Perspektive gerückt und diejenigen einbezogen, die in der Vergangenheit ignoriert wurden. Heute ist die Zeit für einen antirassistischen, antifaschistischen, queeren, revolutionären, nicht ableistischen, anarchistischen, antiknast, transformativen und immer mehr bebenden Feminismus. Die legitime Gewalt gehört uns, zerstören wir das Monopol.

Ich liebe euch, weil ihr an unserer Seite, in unseren Reihen kämpfen werdet. Ich liebe euch, weil es schwer ist, euch zu lieben. Weil auch ich mich manchmal dabei ertappe, wie ich eine Ähnlichkeit mit dem Feind feststelle. Ich liebe euch, weil ihr mir keine Ähnlichkeit mit dem Feind nachsagt, obwohl mein Aussehen ebenfalls mit etwas Binärem assoziiert wird.

Ich liebe Euch, weil der Kampf tausend Gesichter hat und ihr schweigend die Kämpfe der anderen trägt, während ihr darauf wartet dass man euch ermöglicht, euere eigenen Kämpfe zu führen.

Das Kümmern, um uns, unsere Gemeinschaften, unsere Mitglieder, steht im Zentrum unserer Existenz und im Zentrum des Kampfes, es ist und wird der Motor unserer Stärke sein.

Und ich liebe Euch.