Gesichtserkennung: Iran nutzt Bosch-Kameras zur Kontrolle der Kopftuchpflicht



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Bosch hat zwischen 2016 und 2018 insgesamt rund 8000 Überwachungskameras gen Iran geliefert. Biometrie-Software soll darauf aber nicht installiert gewesen sein.

Um die Kopftuchpflicht durchzusetzen, setzt die iranische Regierung auf die Überwachung des öffentlichen Raums mithilfe von Videokameras auch aus Deutschland. Aktivisten zufolge ist dabei zudem Software zur biometrischen Gesichtserkennung im Spiel. Die Behörden hätten ihr Kontrollsystem mit einschlägigen Technologien erweitert, erklärte Raha Bahreini von Amnesty International gegenüber der ARD. Nach Erhalt eines Strafzettels per SMS auf Basis der Auswertung von Videomaterial müssten viele Frauen ihr Auto für mehrere Wochen abgeben. Oft folgten auch Ausreisesperren und Geldstrafen.

Bosch lieferte Kameras
Praktisch hänge etwa in der Innenstadt von Teheran an jeder Straßenecke eine Kamera, verweist der SWR auf Erkenntnisse einer Gruppe iranischer Oppositioneller. Am weitesten verbreitet seien Kameras des chinesischen Herstellers Tiandy. Immer wieder würden aber auch Modelle von Bosch herangezogen, die für die Verkehrsüberwachung installiert worden seien. Im Video eines Hacks einschlägiger Geräte im Raum Teheran sei auch eine Softwareoberfläche des Stuttgarter Unternehmens zu sehen gewesen. Ferner würden Kameras von niederländischen und schwedischen Firmen verwendet.

Der SWR zitiert zudem aus einem Dokument, wonach 2017 an der Khatam-Universität in Teheran eine Schulung von „Bosch Security“ und einem iranischen Vertriebspartner organisiert worden sei. Themen sollen demnach etwa „Face Recognition“, „Face Detection“ und das intelligente Nachverfolgen (Tracking) von Objekten gewesen sein. Als Schulungsleiter werde in dem Papier einer der Vertriebsleiter für den Nahen Osten von Bosch genannt.

Bald Beweismittel vor Gericht
Bosch bestätigte dem Bericht zufolge, zwischen 2016 und 2018 insgesamt circa 8000 Sicherheitskameras in den Iran geliefert zu haben. Kein Bosch-Mitarbeiter habe aber jemals eine Schulung zu „Face Recognition“ an der genannten Hochschule durchgeführt. Die in das Land verkauften Geräte könnten zudem nicht für eine vollautomatische Gesichtserkennung verwendet werden, da die dafür benötigte Software nicht vorinstalliert gewesen sei. Den iranischen Aktivisten zufolge stammt das Analysesystem aber von der dänischen Sicherheitsfirma Milestone Systems. Diese räumte ein, bis 2019 Softwarelösungen an iranische Kunden vertrieben zu haben. Darunter sei das Programm XProtect gewesen, das mit Kameras etwa des Technologiepartners Bosch zusammenarbeitet.

Bahreini appelliert an die involvierten Unternehmen, ihre Sorgfaltspflicht zu erfüllen und sicherzustellen, dass die von ihnen verkauften Technologien nicht für Menschenrechtsverletzungen verwendet werden können. Laut Shima Ghousheh, einer anderen iranischen Anwältin, sollen in dem Land Videoaufnahmen unter anderem von Sicherheitskameras künftig offiziell als Beweismittel vor Gericht anerkannt und die Strafen für Verstöße gegen die Auflage zum Kopftuchtragen verschärft werden. Im schlimmsten Fall drohe eine Hinrichtung. Bosch hat nach eigenen Angaben keinen Einfluss darauf, wie die Kameras eingesetzt werden. Seit 2019 existierten keine Geschäftsbeziehungen mehr mit dem Iran. Man halte sich an die geltenden Exportvorschriften.

(tiw)