Outing Köln - Statement einiger Ex-K2-Personen



Seit dem Outing von C. durch die IL vor etwa einem Jahr gab es verschiedene Anmerkungen und Einschätzungen zu dem Vorgehen von unterschiedlichen Seiten. Wir haben uns seit der Stellungnahme zur Auflösung von K2, die damals lediglich intern innerhalb der IL verbreitet wurde, nicht mehr dazu geäußert, möchten dies an dieser Stelle aber nochmals tun. Wir, das sind einige Ex-Mitglieder von K2 (FLINTA und Cis-Männer), die den gesamten Prozess von Beginn an mitbekommen haben und in unterschiedlicher Weise unmittelbar von den Auswirkungen betroffen waren bzw. sind. Charakteristisch an dem gesamten bisherigen Vorgehen der IL ist u.a. die Verweigerung jeglicher Transparenz einzelner Ortsgruppen bzw. der gesamten IL. Daher können auch wir leider keine neuen Fakten beitragen. Ebenso wenig möchten wir die Punkte wiederholen, die von anderen Personen und Zusammenhängen bereits dargestellt wurden (Hier verweisen wir nur beispielhaft auf die Blogbeiträge von Rehzi und die Veröffentlichungen der Kontaktgruppe K3: http://rehzimalzahn.net/; https://k3-2022.tumblr.com/)

Stattdessen möchten wir aus Anlass des bevorstehenden Prozesses nochmal aus unserer Sicht wichtige Aspekte aus der Perspektive einiger ehemaliger K2-Mitglieder näher beleuchten.

Autoritäre Setzungen

Mit Beginn der Diskussion um die Vorwürfe sexualisierter Gewalt, die von C. ausgeübt worden sein soll, sowie der vermeintlichen Existenz eines sexistischen Männernetzwerkes, wurde die Rolle des Schuldigen und seiner “Mittäter*innen” festgelegt. Eine Position, die eine kritische Prüfung der Vorwürfe (die uns übrigens in immer wieder unterschiedlichen Versionen aufgetischt wurden) forderte, wurde gar nicht erst in Betracht gezogen.

Nur ein Beispiel dafür: Obwohl es von vielen Mitgliedern der damaligen Gruppe K2 berechtigte Zweifel an der anonym auftretenden Quelle “Jennifer Hills” gab, wurde uns zu verstehen gegeben, wir dürften uns überhaupt nur zu dem Ganzen äußern, wenn wir der Quelle Glauben schenken und die Täterschaft von C. unmissverständlich anerkennen. Dies wurde und wird bis heute von Seiten der IL als “Verantwortungsübernahme” gekennzeichnet; alles andere gilt als “verantwortungslos”, “antifeministisch” und als Negation des Rechtes von Betroffenen. An keiner Stelle gab es irgendeine Möglichkeit, die schon damals zu Tage getretenen zahlreichen Widersprüche, die sich im Austausch unserer K2-internen Ansprechgruppe (die überwiegend aus FLINTA-Personen bestand) mit den „Betroffenen“ ergaben, so zu artikulieren, dass sie von Akteur*innen innerhalb der IL wahrgenommen, geschweige denn ernst genommen worden wären. Als Alternativen blieben schließlich nur noch, das zu wiederholen und anzuerkennen, was die „Überregionale Ansprechgruppe“ der IL als „Hohes Gericht“ vorgab, oder einfach in einem kollektiven Beschweigen zu verharren und den Vorwurf auszuhalten, dass wir aufgrund der sozialen Nähe zu dem “Täter” überfordert und handlungsunfähig seien. Da beides keine Option für uns war, sind wir dann konsequenterweise ausgetreten und haben die Fragen intern trotzdem gestellt in Form unseres Austrittsstatements aus dem Juni 2022. Darin heißt es unter anderem: “Es liegen konkrete “Belege” vor, welche auf Echtheit geprüft werden könnten, was “üblicherweise” bei Vorfällen von sexuellen Übergriffen nicht der Fall ist. Es kann überprüft werden, ob die Möglichkeit auf eine Fälschung besteht, um den Wahrheitsgehalt der Aussagen einschätzen zu können und andererseits mögliche Hinweise auf weitere Täter zu finden. Warum wird dies nicht gemacht, sondern mit dem Hinweis auf Parteilichkeit abgewiesen?”

Wenn irgendwer in der IL damals bereit gewesen wäre, diesen Fragen nachzugehen, wäre das gesamte darauf folgende Desaster nicht passiert. Und auch danach gab es viele Möglichkeiten, den zahlreichen Widersprüchen, die insbesondere durch K3 öffentlich gemacht wurden, nachzugehen. Leider ist die IL bis heute nicht bereit, dies auch nur ansatzweise anzuerkennen. Dieser Strategie wohnt ein zutiefst autoritärer Kern inne. Der demokratische Gedanke von gewählten Kommissionen und Gremien wird in sein Gegenteil verkehrt, wenn  Urteile letztlich nur als Setzungen moralischer Instanzen hingenommen werden können.

Postfaktischer Umgang mit “eindeutigen Beweisen”

Die IL hat sowohl damals gegenüber uns als K2 als auch in der späteren Begründung für das Outing immer wieder darauf verwiesen, dass die angeblichen “Beweise” für die Schuld von C. von mehreren Menschen der überregionalen Ansprechgruppe gesehen und auf ihre Plausibilität hin geprüft worden seien. Jetzt (Anfang Juni 2023) wurde ein Beitrag einer IL-internen Untersuchungskommission geleaked, in dem es heißt: “W_ir haben bislang nichts, also tatsächlich kein einziges dieser Dokumente, geschweige denn die Daten erhalten._” Nach den Aussagen aus dem Leak stellt sich unweigerlich die Frage, ob überhaupt irgendjemand vor dem Outing irgendwelche “Beweise” in Form von Fotos und  Mailverläufen gesehen hat. (Zur Erinnerung: Die Ansprechgruppe der “Betroffenen” selbst hatte uns diese zur Einsicht angeboten, um uns von der eindeutigen Schuld des “Täters” zu überzeugen, dieses Angebot aber dann später zurück gezogen). Die Tatsache, dass der, nach den Aufdeckungen von K3 von der IL selbst eingesetzten Untersuchungskommission bis heute offensichtlich keinerlei „Beweise“ zur Prüfung vorgelegt wurden, legt die Vermutung nahe, dass niemand außerhalb der Ortsgruppe der “Betroffenen” die „eindeutigen Beweise“ jemals gesehen hat, sondern dass man der Ortsgruppe auch damals einfach blind vertraut hat. Noch brisanter wird dieses Vorgehen dadurch, dass eine Person aus der besagten Ortsgruppe nach heutiger Faktenlage offensichtlich in die Fälschungen der E-Mails verstrickt war.  

Das damalige Handeln der IL ist, insbesondere im Hinblick darauf, welche Konsequenzen ein solches bundesweites Outing im Netz bzw. über social Media für C. und sein Umfeld mit sich bringen würde, absolut inakzeptabel und entspricht auch nicht dem, was die IL nach außen verkündet hat. Das ist insbesondere deshalb so fatal, weil viele Menschen das Outing geteilt und die darin erhobenen Vorwürfe geglaubt haben, weil sie der IL vertraut haben, dass sie so eine weitreichende Entscheidung nicht trifft, wenn sie sich nicht absolut sicher ist. Dieses Vertrauen hat die IL ein für allemal verspielt!

Problematisch ist zudem, dass erst seitens der IL von “eindeutigen Beweisen” gesprochen wird und wenn diese dann als gefälschte E-Mails entlarvt werden, sie flix als irrelevante “technische Inkonsistenzen” beiseite geschoben werden. Diese Strategie folgt einem postfaktischen Denken, das eigentlich einer Diskurspraxis rechtspopulistischer Akteur*innen entspricht und bei der so etwas wie Fakten als flexibel handzuhabende Instrumente in den Dienst der richtigen Politik gestellt werden.

„Irgendwas bleibt immer hängen“

Problematisch finden wir auch, wie in Teilen der radikalen Linken, auch außerhalb der IL, bis heute mit den Vorwürfen umgegangen wird, unter anderem auch in Köln. Es findet sich mittlerweile fast niemand mehr, die*der wirklich noch daran glaubt, dass die erhobenen Vorwürfe in der bisher geäußerten Form wahr sind. Einige Kölner Gruppen haben das Outing damals geteilt oder zumindest im Nachhinein durch eigene Veröffentlichungen indirekt rechtfertigt. Trotzdem hat sich bis heute unseres Wissens nach keine dieser Kölner Gruppen öffentlich davon distanziert oder Verantwortung für das damit verbundene Unrecht übernommen. 

Das hat sicher unterschiedliche Gründe. Eine Argumentation in der Diskussion mit verschiedenen Personen findet man häufiger: „Vielleicht ist an diesen Vorwürfen nichts dran, aber irgendwas wird er schon gemacht haben“ oder in einer anderen Version: „Vielleicht ist an diesen Vorwürfen nichts dran, aber sein Verhalten allgemein ist trotzdem kritikwürdig.“ Diese Haltung finden wir aus verschiedenen Gründen falsch und gefährlich. Sie entkoppelt eine als angebracht empfundene Strafe (selbst dann noch wenn die weitreichenden Folgen des Outings kritisch gesehen werden) von der Auseinandersetzung um das konkrete Verhalten eines Menschen in bestimmten Situationen.

In der Konsequenz läuft das darauf hinaus, dass auch unwahre Vorwürfe legitim sind, wenn sie sich gegen als „böse“ wahrgenommene Personen richten. Das kann nicht wirklich Anspruch einer linken Bewegung sein. Die dabei zu Tage tretende Teilnahms- und Empathielosigkeit von Teilen der Linken gegenüber C. und seiner Familie, die bis heute anhält, finden wir erschreckend.  

Ein anderes Argument lautet: „Glaube auch nicht mehr an die Vorwürfe, aber dass C. den juristischen Weg beschreitet, geht nicht klar.“ Dabei wird mitunter - ebenso wahrheitswidrig - suggeriert, dass es eine Strafanzeige gegen die “Betroffenen” und andere gegeben habe. Richtig ist, dass von C. eine Zivilklage auf Unterlassung der falschen Beschuldigungen angestrengt wurde. Nach den massiven Folgen eines solchen Outings als ultimative Strafmaßnahme stellt sich die Frage, was die Alternativen dazu gewesen wären, nachdem ein “faires szeneinternes Verfahren” durch die IL verunmöglicht worden war. Unabhängig davon, wie wir zu der Wahl des Anwalts in diesem Verfahren stehen, sind wir der Meinung, dass die mit dem Outing verbundenen sozialen, politischen, familiären und beruflichen Konsequenzen nicht hingenommen werden können und C. deshalb keine andere Wahl blieb, als den juristischen Weg zu gehen, außer es einfach hinzunehmen, dass die Vorwürfe für immer im Netz bleiben. 

Der bloße Verweis auf ein „bürgerliches Rechtssystem", das halt “scheiße” sei, ist in diesem Zusammenhang bloße Plattitüde. Dass das Rechtssystem des bürgerlichen Staates Machtasymmetrien nicht aufzuheben vermag, ist uns auch klar. Aber Personen an den Internet-Pranger aufgrund ungeprüfter Vorwürfe zu stellen, setzt diese Mechanismen nicht außer Kraft. Im Gegenteil, es ist ein Akt der Willkür, der mit Macht durchgesetzt wird und sogar noch hinter die Unzulänglichkeiten des bürgerlichen Rechtsstaates zurückfällt.

Alle diese Argumentationen dienen aus unserer Sicht dazu, die eigene Verantwortung für die massiven Schädigungen zur Seite zu schieben und die aus der “richtigen Lehre” abgeleitete Praxis gegen die Komplexität der Realität zu verteidigen im Sinne eines “Weil nicht sein kann, was nicht sein darf”. 

Es wäre immer noch möglich, öffentlich kundzutun, dass man das damals geteilte Outing so nicht mehr teile. Niemand verlangt bedingungslose Solidarität mit C. - ein öffentliches Dementi der damals geteilten Vorwürfe mit Verweis auf neue Entwicklungen und eine Aufhebung aller “Hausverbote” ist aber das Mindeste, was an Verantwortungsübernahme nötig wäre.

Darüber hinaus schließen wir uns den Forderungen von K3 und anderen an: Wir fordern die IL weiterhin auf, das Outing zurückzunehmen, sich bei C. und seiner Familie zu entschuldigen und eine Wiedergutmachung für die angerichteten Schäden zu leisten.