Wer sind denn die Terroristen ? Solidaritätserklärung mit den Kämpfen in Lützerath



Politik und Medien wiederholen in den letzten Monaten immer wieder den Begriff Klima-Terrorismus, um selbst gewaltfreie Aktionen gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nur als Bedrohung verhandeln zu können und um zu rechtfertigen, dass Klima-Aktivist*innen weggesperrt werden.

Der Staat versucht also im Sinne der herrschenden Ordnung und des Schutzes des Eigentums von RWE & Co zu definieren, was Gewalt ist. Polizei, Justiz, Militär und Geheimdienste werden dabei immer weiter aufgerüstet. Deren teils – vor allem gegen Flüchtlinge auch hierzulande teils tödliche – Gewalt wird durchgängig in (fast) allen Aspekten gerechtfertigt.

Andererseits wird uns gesagt, dass wir uns konstruktiv in den staatlichen ökologischen Umbau einbringen können, dass wir nicht mehr auf die Straße gehen brauchen, um dafür zu protestieren. Faktisch aber werden wir bedroht von einer existentiellen Gewalt gegen die lebendige Vielfalt des Lebens auf der Erde. Es sind Konzerne und Politik, die uns weis machen wollen, dass selbst die Zerstörung Lützeraths und der Abbau und die Verfeuerung der Braunkohle darunter noch ein notwendiger und erfolgreicher Kompromiss einer ökologisch grün-gewaschenen Klimapolitik ist. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wurde zum Anlass genommen, eine Zeitenwende zu propagieren. Milliarden für die Rüstung und für den Krieg, der erneute Ausstieg aus dem Atomausstieg und der Einstieg in den extrem anti-ökologische Flüssiggas-Import sind nur wenige der zerstörerischen Folgen dieser Politik. Das Elektro-Auto bedeutet keinesfalls eine Verkehrswende, wie uns die Propaganda sagt, sondern das zerstörerische weiter so.

Rot-Rot-Grün in Bremen betreibt die selbe zynische Politik. Der größte Haushaltsposten ist die Sanierung des Flughafens. Sie produzieren mit ihrer Verkehrspolitik immer mehr Autoverkehr, z.B. durch den Ausbau der A1 auf bis zu acht Spuren, die Fertigstellung des Autobahnringes um Bremen mit der A28 und dem Wesertunnel. Die swb hat in diesem Winter ein neues, großes Gas-Kraftwerk in Hemelingen in Betrieb genommen – Dinosaurier-Technologie für die angebliche Energiewende.

Alles, also auch die industrielle Agrar-Industrie, braucht heute einen Anstrich als ‚nachhaltig‘ oder ‚Green (New) Deal‘. Egal wie grün die Agrar-Industrie angestrichen wird (pflugloser Anbau von gv-Soja, Tierwohl-Etiketten, …) – sie ist verantwortlich für existenzbedrohende Zerstörungen. Ein immer größerer Teil der landwirtschaftlichen Produktion produziert nicht mehr Lebensmittel sondern z.B. Agro-Treibstoffe, Viehfutter, Industrie-Öle oder Agro-Kunststoffe. Dafür wird immer mehr Land umgewidmet. Einerseits wird damit Wildnis zerstört, andererseits werden kleinbäuerliche Flächen enteignet, Bäuer*innen vertrieben. Das Land wird in beiden Fällen in industrielle Agrar-Wüste verwandelt und heizt die Erderhitzung und das Massen-Artenaussterben an. Auch Hunger ist keine Frage, ob Agrarchemie oder Gentechnik ggf. die Erträge steigern (was gar nicht so eindeutig ist) sondern eine Frage der Verteilung. Weltweit zeigt sich das für sehr viele als Ausschluss durch fehlendes Geld. (zur Kritik der industriellen Agrar-Industrie und zu gelebten Alternativen machen wir mit anderen ab 19.2. eine Veranstaltungs-Reihe).

Es sind die Staaten (ob demokratisch oder diktatorisch) und das Kapital, die für die weltweite brutale Vernichtung der Lebensgrundlagen praktisch den Rahmen schaffen und rechtfertigen bzw. davon profitieren. Der Globale Süden ist seit der Kolonialzeit vor allem Rohstoffexporteur. Ein Viertel der CO2-Emissionen Kolumbiens zum Beispiel entfallen heute auf den Export von Erdöl und Kohle, zwei Produkte des extraktivistischen Rohstoffsektors. Sie belasten Kolumbiens CO2-Bilanz, nicht die der Importeure, wie zum Beispiel der BRD. Die Staaten schieben gerne die Verantwortung für die Zerstörungen anderen Staaten zu, z.B. der VR China. Diese lagert auch einiges ihrer Klimabelastung aus. China produziert und verbraucht gut die Hälfte des weltweiten Zements und Stahls. Damit baut die VR China als Niedriglohn-Standort eine Infrastruktur auf, die wesentlich auf den Weltmarkt, auf die Versorgung der reichen Industriestaaten ausgerichtet ist. Eine Studie von 2011 kam zu dem Ergebnis, dass der Anstieg der Emissionen aus Gütern, die in Entwicklungsländern produziert, aber in Industrieländern konsumiert werden, sechsmal größer war, als die Emissionseinsparungen der Industrieländer. Das ist der Rich-Country-Illusion-Effect.

Der neuerliche Umbau der Industriegesellschaft in Richtung Erneuerbare Energien und Klimaneutralität wird den Extraktivismus in andere Rohstoff-Bereiche verlagern und sogar noch verschärfen. Eine Studie von Tobias Kind et al von 2018 berechnete: „Für eine äquivalente installierte Erzeugungskapazität werden für Solar- und Windsysteme bis zum 15-mal mehr Beton, 90-mal mehr Aluminium und 50-mal mehr Eisen, Kupfer und Glas benötigt als für konventionelle Energiesysteme.“ Die Steigerung des CO2-Ausstoßes über den sich ausdehnenden Bergbau und die damit verbundene Land-Umnutzung wird wesentlich den Ländern des Globalen Südens in Rechnung gestellt. Der weltweite CO2-Ausstoß steigt weiter. Die reichen Industriestaaten aber können sich dadurch als ‚klimaneutral‘ feiern.

Als Terroristen können wir also weit eher Staat und Kapital bezeichnen, denn Anarchist*innen oder Klimagerechtigkeits-Aktivist*innen.

Wer die herrschenden Verhältnisse wirklich überwinden will, braucht mit dem Alt-Autonomen Fritz Storim die Auseinandersetzung „um einen eigenen Begriff von Recht und Legitimität, von Gewalt und Widerstand.“ Akzeptiert Gesellschaftskritik den herrschenden Begriff von Recht und Gewalt, kann sie die herrschende gewalttätige Ordnung nicht durchbrechen, kann Herrschaft nicht beenden. Erfolg bringen oft Aktionen, die die Herrschenden ‚illegal‘ nennen. Erfolgreiche legale Aktionen werden illegalisiert.

Walter Benjamin analysierte klar die Gewalt der herrschenden Rechtsordnung und ihres Gewaltmonopols und gab Beispiele von radikalem, gewaltlosen Widerstand. Er stellte fest, dass jede Kritik an Militarismus, jede Kritik an Strafe „das Recht selbst in seinem Ursprung angreift.“ Recht selbst ist also Gewalt.

Das Gute Leben für Alle weltweit, ein Ende des Artensterbens, der Erderhitzung oder auch die Reduzierung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Pandemien erfordert die Überwindung der herrschenden Ordnung. Kropotkin schrieb bereits 1892, dass mit einer sozialen Revolution sofort die globale Ausbeutung beendet werden muss, der damit verbundenen Ressourcenzufluss beendet wird und den Menschen des Globalen Südens damit ‚gestattet‘ wird, sich selbst zu emanzipieren.

Viel Kraft für die Kämpfe um Lützerath und alle die Kämpfe die wir weiterhin führen und auch dafür an den eigenen Utopien zu basteln.

Dieser Beitrag ist von einer Einzelperson. Noch von Corona zu sehr geschwächt um nach Lützerath zu fahren und gestern auch noch ne schmerzhafte Knieverletzung zugezogen verhindern dass ich heute zur fff-Aktion vor der Deutschen Bank komme,
haben aber immerhin bewirkt, dass ich heute Zeit hatte, diese Soli-Erklärung zu schreiben

solidarische Grüße

von einem älteren, u.a. im Umsonstladen aktiven Anarchisten